Stabübergabe beim BVIZ

„Ein Verband braucht Menschen, die sich engagieren“ – Führungswechsel beim Bundesverband deutscher Innovationszentren

Unter dem Motto „Zukunft gestalten – nachhaltig wirtschaften – regional wirken“ fand vom 12.-14. September die Jahreskonferenz des Bundesverbandes deutscher Innovationszentren (BVIZ) in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald statt. Der langjährige Präsident des BVIZ Dr. Bertram Dressel aus Dresden trat in der 56. Mitgliederversammlung in Greifswald zur Wiederwahl nicht mehr an und übergab den Stab an die neu gewählte Präsidentin Dr. Christina Quensel aus Berlin-Buch. Im Interview mit Dr. Thomas Diefenthal, BVIZ Vizepräsident aus Regensburg, wurde ein Blick zurück und in die Zukunft des Verbandes geworfen.

Herr Dressel, Sie wurden 2001 in der Frühjahrestagung des BVIZ in Itzehoe zum Präsidenten gewählt und haben 20 Jahre den Verband in dieser Funktion geführt. Sie wurden alle zwei Jahre wiedergewählt, auch wenn Sie zuletzt ihren Rücktritt lange vorher angekündigt haben. Ist es nicht auch eine Auszeichnung der Mitglieder über eine sehr gelungene langjährige Präsidentschaft?
Eigentlich bin ich für diese Frage nicht der richtige Adressat. Aber man freut sich schon, wenn man mit seinem Stil und seiner Arbeit andere für sich gewinnen kann. Ich wollte ja schon früher den Stab des Präsidenten an eine jüngere Person weitergeben. Es hat sich leider niemand gefunden, der mir nachfolgen wollte. Erst als ich mich letztendlich definitiv nicht mehr zur Wiederwahl gestellt habe, kam Bewegung in den Prozess und ich freue mich, dass wir in Christina Quensel eine junge, erfolgreiche Zentrumsmanagerin zur Präsidentin küren konnten.

In zwei Jahrzehnten kommen viele Ereignisse zusammen. Was ist Ihre schönste Erinnerung und was war der kritischste Moment ihrer Präsidentschaft?
Die Repräsentanz eines so schillernden Verbandes wie des BVIZ ist per se schön, das hat mir immer Freude gemacht und auch Kraft gegeben. Das Treffen von Kollegen in familiärer Atmosphäre war und ist mir wichtig und das sind die vielen schönen Momente. Der kritischste Moment war die Insolvenz unserer Service-GmbH, verschuldet durch einen Menschen, dem ich – wie sich dann herausstellte – völlig zu Unrecht vertraute. Das war für mich auch Lehrgeld in Sachen Menschenkenntnis.

Sie sind seit 1990, kurz nach der Wiedervereinigung Geschäftsführer des Technologiezentrums Dresden und im selben Jahr Mitglied im BVIZ, einem damaligen Verband aus dem Westen geworden. Was hat Sie damals dazu bewogen?
Ich bin ja von Haus aus kein Transfer-Mensch oder Zentrums-Manager, sondern Verfahrenstechniker. Mit der Wende kamen all die neuen Dinge wie Technologiezentren auf uns zu und wir mussten lernen, wie sowas geht. Da hat der BVIZ uns sehr geholfen. Es gab ein Weiterbildungsprogramm für Zentrumsleiter aus den neuen Ländern. Das war lebensnotwendig und deshalb wurde man Mitglied. Das hab ich aber nie bereut und wir haben uns von Anfang an eingebracht. Mit Guido Baranowski, der vor mir BVIZ-Präsident war, hatte ich ja auch einen Partner im „Westen“ der dies alles mit aufgebaut hatte.

Sind der Osten und Westen Deutschlands 30 Jahre nach der Wende im BVIZ zusammengewachsen?
Das glaube ich schon, die nächste Generation kennt diesen Unterschied nicht mehr. Ich würde generell keine Lagerbildung sehen und zum Glück sind nicht alle gleich in diesem Land. Es gibt regionale Unterschiede und das ist gut so. Auch Ost und West sind letztendlich nicht identisch, haben aber Vorzüge und Probleme die sich unterscheiden. Es ist diese Vielfalt die es ermöglicht voneinander zu lernen und damit kreativ zu werden.

Sie sind dann 1995 in den BVIZ Vorstand gewählt worden und haben seither die Entwicklung des Verbandes hautnah verfolgen und mitgestalten können. Was waren und sind die größten Herausforderungen?
Für mich war es immer wichtig, die Vielgestaltigkeit der Mitglieder zu erfassen und daraus Angebote zu entwickeln, mit denen möglichst viele etwas anfangen können. Die Zusammenarbeit setzt Vertrauen voraus, was zu Beginn nicht ganz einfach war. Ich erinnere mich an die Anfänge der AG Zentrumsbetrieb in der viele befürchteten dabei Insiderwissen preiszugeben. Dass es ganz andersherum hilft die eigene Position zu hinterfragen haben sie erst später erkannt. Eine weitere Herausforderung war der Landesverband NRW, der eine Interessenvertretung auf Bundesebene nicht für notwendig hielt. Hier haben wir sehr intensiv Mediation betreiben müssen und waren am Ende erfolgreich. Es ist auch heute für den BVIZ-Vorstand wichtig die eigenen Formate immer wieder zu hinterfragen. Ein weiterer wichtiger Punkt war und ist für mich die finanzielle Basis des Verbandes. Auch der Verband benötigte inflationsbedingt und mit veränderter Mitgliederstruktur eine Beitragsanpassung. Nur dadurch stehen wir heute solide da und haben mehr Mitglieder als vorher.

Frau Quensel, Sie sind die erste Präsidentin des Verbandes und stehen auch für den Generationenwechsel im Vorstand. Was hat Sie dazu bewogen für das Amt zu kandidieren?
Für mich ist der aktive Austausch zu allen möglichen Themen im Arbeitsumfeld immer sehr wichtig, in den ich mich auch selbst gerne einbringe. So kann man von Erfahrungen profitieren und in der Diskussion neue und auch überraschende Erkenntnisse gewinnen. Ein Verband braucht Menschen die sich engagieren. Und ich denke, es ist Zeit auch etwas zurückzugeben. Ein weiterer Grund ist auch durchaus die Tatsache, dass es an der Zeit ist, dass eine Frau die Führung übernimmt. Dies mag nach Klischee klingen, für mich sind jedoch echte Sichtbarkeit und Verantwortung weitaus wichtiger als perfekt gegenderte Texte. Ich würde mich sehr freuen, wenn sich dadurch andere Frauen ermutigen lassen ins Sichtfeld zu treten.

Sie sind seit 2015 Geschäftsführerin der Campus Berlin-Buch GmbH, einem großen BiotechPark mit 31.000 qm, dass bereits vorher BVIZ-Mitglied war. Wie war Ihr erster Eindruck zur Arbeit des Bundesverbandes?
2015 kam ich in Wuhlheide zu spät zur Mitgliederversammlung im Vorfeld der Jahrestagung, weil ich mich auf dem Gelände verlaufen hatte. Wie immer waren die hinteren Reihen voll besetzt (warum eigentlich, ich würde mich freuen, wenn wir das ändern) und vorn auch nur Plätze in der Mitte frei. So drängelte ich mich an den an den äußeren Plätzen vorbei – dabei passierte, was passieren musste – ich riss mindestens zwei Wassergläser der Teilnehmer in der Reihe dahinter um…
Unabhängig davon, war mein erster Eindruck ein großartiges Willkommen. Insgesamt haben mich die Kollegen sehr offen empfangen, insbesondere schätze ich den Austausch in der AG BioParks. Gerade bei größeren Überlegungen/Vorhaben ist es sehr hilfreich, wenn man einfach die Kollegen anrufen und um Rat fragen kann.

Welche Themen sind für eine erfolgreiche zukünftige Verbandsarbeit Ihrer Meinung nach wichtig?
Wir erleben weltweit einen ständigen Wandel mit Auswirkungen auf die internationale Zusammenarbeit, aber auch auf die Konkurrenz und damit auf die Art und den Umfang unserer eigenen Arbeit. Unsere Themen werden zum Teil nicht grundsätzlich neu sein, in ihren konkreten Inhalten aber stetig vor neuen Herausforderungen stehen: Digitalisierung der eigenen Prozesse, Dienstleistungen für die Mieterfirmen, Marketing, Lobbyarbeit Richtung Gesellschafter, Vernetzung im Zentrum kreativ gestalten, etc. Durch heute übliche digitale Treffen können sich Interessengruppen viel schneller finden und austauschen. Wir werden verschiedene Formate im BVIZ testen, um herauszufinden, welche Angebote neben den Arbeitsgruppen hilfreich für die Mitglieder sind. Als zweite wichtige Funktion muss es darum gehen, die Sichtbarkeit unseres Verbandes zu erhöhen, um dadurch gemeinsame Forderungen, wie z.B. nach einem Innovationsfonds für junge hochinnovative Unternehmen, besser voranzubringen.

Über die Hälfte der BVIZ-Mitglieder betreiben eher ein kleines Zentrum oder sind im ländlichen Raum ansässig. Was kann der Verband speziell für diese Zielgruppe noch verbessern?
Hierzu möchte ich direkt an die vorherige Antwort anschließen. Es gibt Fragestellungen, bei denen kleine Zentren von großen Zentren lernen können, aber auch viele sehr spezifische, zu denen sich kleine Zentren in eigener Runde austauschen können. Vor allem sollten sich kleine Zentren nicht scheuen, ihre Themen einzubringen. Es können auch branchenspezifische Fragen sein, z.B. zur Unterstützung von green oder social Start-ups, bei denen die Zentren vor denselben Herausforderungen stehen, unabhängig von ihrer Größe. Dazu gilt es, schnell und flexibel interessierte Mitglieder miteinander ins Gespräch zu bringen.

Es ist zur Orientierung immer interessant mehr von der Persönlichkeit hinter dem Amt kennen zu lernen. Verrät die neue BVIZ-Präsidentin uns etwas über ihr privates Familienleben und Umfeld?
Ich halte mich für einen offenen, anpackenden und sehr glücklichen Menschen, nicht zuletzt aufgrund meiner Familie und unseres Freundeskreises. Ich bin stolz auf meine beiden Kinder: Meine Tochter studiert, mein Sohn macht in diesem Schuljahr sein Abitur, beide werden ihren Weg gehen. Sie kennen nur die Situation, dass beide Eltern voll arbeiten und auch dienstlich unterwegs sind. Das hat alles nur geklappt, weil mein Mann und ich immer an einem Strang ziehen. Wir stimmen unsere Dienstreisen ab, geben uns durchaus auch die Klinke in die Hand, verbringen jedoch im Gegenzug intensiv Zeit miteinander – und finden letztendlich aber auch Zeit für uns selbst. Um den Kopf frei zu bekommen, schwinge ich mich so oft es geht aufs Pferd und reite aus.

Eine abschließende Frage an Sie beide. Was zeichnet Eurer Meinung nach das BVIZ Verbandsleben besonders aus?
Dressel: Wir sind eine große Familie, wir gehen sehr familiär miteinander um. Das ist aus meiner Sicht sehr wichtig. Alle auf Augenhöhe, keiner ist gleicher als gleich, keiner stellt falsche Fragen. Der Vorstand tut gut daran, integrativ alle Mitglieder mit ihrer riesigen Fachkompetenz zu erreichen. Und zu den „Familientreffen“ werde ich wohl immer wieder fahren – versprochen.
Quensel: Den vertrauensvollen, freundschaftlichen Umgang und Austausch miteinander. Unsere Technologieparks funktionieren alle ein bisschen anders, viele werden von der Stadt oder Gemeinde getragen, es gibt viele Zentren die sich selbst tragen müssen oder auch komplett privat finanziert sind. Diese unterschiedlichen Hintergründe sind auch unser Kapital; aus Verschiedenheit wächst Neues. Je mehr man andere an seinem Wissen teilhaben lässt, umso mehr erhält man zurück. Ich wünsche mir, dass wir auf unseren Jahrestagungen noch offener auf andere zugehen und nicht im Kreis bekannter Kollegen verharren. Das klappt schon sehr gut, aber ich denke hier ist noch etwas Luft nach oben.

Mehr Informationen zum Verband: www.innovationszentren.de